Studio SH GmbH Wertschöpfung im Bestand Kreativpark Lokhalle

Scheune, ungenutzt, umgenutzt: Wertschöpfung im Bestand

„In der komplexen Welt von heute ist es die Aufgabe der Planer:innen von morgen, architektonische und ökonomische Konzepte in Einklang zu bringen – und ganzheitliche Planungskultur zu leben.“

Dies ist der Leitsatz des Planungsbüros „Studio SH“ aus Freiburg. 

Das Büro, bestehend aus Christian Schwär und Björn Hergesell, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Bestandsgebäuden und scheinbar abbruchreifen Altbauten eine neue architektonische und wirtschaftliche Zukunft zu geben.

Planungskonzept

Die Scheune verfügt über ein so großes Platzangebot, dass der Maximalausbau beispielsweise mit kleinen Wohneinheiten die Parksituation vor Ort deutlich überlastet hätte. Es entstand ein Konzept mit zwei Wohneinheiten quasi als Doppelhaus (DHH). Ein kleines Detail aus der Finanzierungsfähigkeit: Die Bank kann das Objekt somit mit Widerherstellungskosten und nicht mit seinem Ertragswert in der Finanzierung ansetzen. Dies erhöht die Beleihungsfähigkeit und verbessert damit die Zinskonditionen.

Der Wohnraum wurden zu 90 % auf die Balkanlagen oberhalb der Brauchsteinmauern verlegt. Dies erzeugt zwei wesentliche Vorteile: Der Energiestandard im Dach übersteigt auch noch heute die Anforderungen an einen Neubau und ist damit sehr kostengünstig beheizbar. Außerdem kann damit typischen Feuchtigkeitsproblematiken aus dem Weg gegangen werden, sodass wiederum kostengünstig beispielsweise keine Horizontalsperren in den Bestandswänden eingebaut werden müssen.

Für eine „Überlichtung“ des ursprünglich sehr dunklen Dachraumes sorgen beidseitig jeweils drei Lichtbänder. Die bauliche Ausführung ist dabei immer eine komplexe Angelegenheit, da meist bestehende Konstruktionsteile den einfachen Zugang und das Öffnen und Schließen der Fenster versperren. Hier war die Expertise der Firma V. Dobslaw im Einbau besonders entscheidend.

Die gesamte Materialisierung im Haus besteht aus einfachen, aber sehr hochwertigen Materialien. Dies spart Kosten, ohne bei der Qualität zu sparen. Das Ergebnis spricht für sich.

Die hohe Drittverwendbarkeit besteht u. a. darin, dass langfristig aus den zwei Wohneinheiten nochmals eine separate Einliegerwohnung abgetrennt werden kann. Die Flächenansprüche einer jungen Familie verändern sich mit dem Alter. Alle hierfür notwendigen technischen Anforderungen an Wohnungszähler, Wärmemengenverteiler, separaten Hauseingang mit Sprechanlage wurden hier im Vorfeld mitberücksichtigt. Dies verkompliziert die Planung, ist aber bei einem Nutzungszeitraum von mindestens 30-50 Jahren zwingend notwendig.

Der Schallschutz in diesen Gebäuden ist ein zusätzlich schwieriges Unterfangen. Was optisch für den besonderen Charme und die Qualität sorgt, ist schallschutztechnisch katastrophal. So bieten die hohen Decken einen tollen Klangkörper für Luftschall, die omnipräsenten Holzbauteile laufen durch das gesamte Gebäude und übertragen hervorragend jeden Trittschall. Auch diese Aspekte wurden durch die Anordnung „quasi wie bei zwei DHH“ in der Planung berücksichtigt und konnten so beherrscht werden.

Wirtschaftlichkeit

In diesem Projekt konnte Studio SH seine Expertise erstmalig unter Beweis stellen. Die unbewohnte, ehemalige Lagerscheune wurde vermessen, analysiert, verschiedene tragfähige Konzepte unter Beachtung von wirtschaftlichen, gestalterischen und denkmalschutzrechtlichen Belangen entwickelt und verfolgt.

Vor Beginn der Sanierungsmaßnahmen wurde unter Einbeziehung der folgenden Förderprogramme ein sehr stimmiges Gesamtkonzept entwickelt: KfW-Kredite und KfW-Tilgungszuschüsse, BAFA-Zuschüsse für die Luft-Wärmepumpe mit Fußbodenheizung, Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum, kurz ELR.

ELR: Um Baden-Württembergs starke und dezentrale Struktur zu erhalten, bietet das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum das komplette Paket der integrierten Strukturentwicklung. Zeitgemäße Wohnangebote, lebendige Ortskerne, einladende Plätze und Grünanlagen, intakte Infrastrukturen – gute Ideen und durchdachte Maßnahmen halten den ländlichen Raum auch in Zukunft attraktiv und werden deswegen vom Land und der EU gefördert. Förderungen von Privatbauherren bis zu 200 000 € sind aktuell möglich.

Die Baukosten konnten durch eine konsequente Optimierung bei der Planung im Vorfeld und Anpassungen während des Bauprozesse bzw. einem sehr engen „Cost-Controlling“ auf 2.150,– € inkl. MwSt. zzgl. Planungsleistung je m2 Wohnfläche reduziert werden.

Stefan Keller von der Finanzkanzlei in Südbaden hat das Projekt dabei eng betreut. Banken stehen Denkmalobjekten zunächst einmal sehr kritisch gegenüber. Es besteht natürlich immer die Angst, dass der Bau seinen Bauherren überfordert. Um so wichtiger ist die Auswahl des Planungsbüros und eine sehr detaillierte Aufarbeitung des Projektes zur Vorstellung bei verschiedenen Banken. Das Objekt verfügt neben seiner hohen (ökologischen) Bauqualität auch über eine hohe Drittverwendbarkeit. Die Planung zielte darauf ab, dass sich das Gebäude mit den verändernden Anforderungen mitentwickeln kann und somit das Risiko für die Banken reduziert. „Wir persönlich leben auch in einem umgenutzten Winzerhof“, so Stefan Keller. Die Herausforderung, die Bank von dem Konzept zu überzeugen, ist zunächst mal sehr groß und benötigt Ausdauer. Ausschlaggebend für die Finanzierungszusage der Bank war am Ende der richtige Mix aus dem erfahrenen Holzbaupartner V. Dobslaw, dem Nutzungskonzept und den Fördermitteln. „Studio SH hat dies alles sehr gut miteinander kombiniert“, so das Fazit der Finanzkanzlei.

Ökologie

In sehr enger Zusammenarbeit mit der Zimmerei dobslaw wurde so ein besonderes Wohnobjekt geschaffen. Die Ausrichtung von dobslaw war und ist, stets mit für Mensch und Umwelt verträglichen Materialien zu arbeiten. So kommt seit mehr als 20 Jahren Zellulose als Dämmstoff in fast allen Objekten zum Einsatz, so auch bei dieser Sanierung. Auf Wunsch wurden auch Alternativen aus nachwachsenden Rohstoffen wie z .B. Holzweichfaser und Hanf verwendet.

Der Verzicht auf chemischen Holzschutz wird, schon vor Inkrafttreten der aktuellen DIN, unter Einhaltung technisch einwandfreier Lösungen seit Jahren bei V. Dobslaw praktiziert. Darüber hinaus bleiben alle Holzbauteile wenn möglich unbehandelt und ungestrichen.

Als Ergänzung zum Werkstoff Holz spielte auch Naturkalkdämmputz als ergänzendes Baumaterial eine wesentliche Rolle bei der Sanierung. So erhielten die Bruchsteinwände von innen diesen besonderen Putz. Naturbelassene Kalk- und Kalk-Lehm-Putze bringen Behaglichkeit und Lebendigkeit in den Wohnraum. Naturkalkputze fördern nachhaltig ein gesundes, angenehmes Raumklima. Sie bauen Schadstoffe in der Raumluft ab und sorgen für ein ausgeglichenes Verhältnis von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Natürliche Baustoffe bieten ein gesundes und angenehmes Raumgefühl. Anschlussarbeiten an Holzbauteile können relativ unkompliziert und schnell geschaffen werden und relativieren die anfänglich höheren Kosten für die Putze.

Volker Dobslaw hat sich als gewerksübergreifender Holzbaupartner besonders hervorgetan. Neben den typischen Zimmermannsarbeiten wurden auch alle Dämmarbeiten, Fenster, Treppen und Massivholzböden durch die Firma dobslaw realisiert. 

„Eine konsequent enge Zusammenarbeit mit den Handwerksbetrieben auf der Baustelle vor Ort ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung solcher Projekte“, so Björn Hergesell/Studio SH.

 

Rundgang durch Wohneinheit 1

Die bestehende Erschließung über das Rundbogenelement wurde erhalten, daran gliedert sich nun ein großzügiger Windfang, der von den Bauherren auch als Zwischenzone mit separatem Zugang zur großen Terrasse genutzt wird. 

Durch den Windfang betritt man die großzügige Wohnküche. Die Kombination von sichtbarem und restauriertem alten Gebälk mit der schlichten schwarzen Küche und der Kastentreppe verleiht dem Raum eine besondere Atmosphäre. Die große Verglasung auf der Nordseite führt auf die Terrasse mit Blick ins Grüne.

Die Kastentreppe schlängelt sich an der Außenwand über ein Podest bis in das großzügige Dachgeschoss. Dort entstanden ein offener, heller Wohnraum mit einer Galerie oben im Firstgebälk sowie zwei Schlafräume und ein Badezimmer.

Herz des Wohnzimmers ist die Verglasung des Nordgiebels hinter dem bestehenden Eichenfachwerk, welche den Blick auf den Bach, die Kastanienbäume und in die Landschaft eröffnet, sowie der Schwedenofen, der im Winter Wärme und Atmosphäre in den Dachraum bringt.

Fotos: Max Müller

Text: Christian Schwär

 

Studio SH GmbH
Paul-Ehrlich-Straße 7
79106 Freiburg